Rezension - Nur noch ein einziges Mal von Colleen Hoover

  

ACHTUNG: Ich kann diese Rezension leider nicht Spoilerfrei halten, deswegen bitte ich euch, sie nur zu lesen, wenn ihr das Buch bereits auch gelesen habt. Entschuldigt bitte, aber es geht nicht anders.


"Mit dir und mit mir. Mit uns endet es."


 

 

 

Colleen Hoover hat es schon immer geschafft, dass ich von der Story ihrer Bücher überrascht war. Jedes. Einzige. Mal. Ich habe immer etwas anderes erwartet, als ich schließlich und schlussendlich erhalten habe. Doch "Nur noch ein einziges Mal" hat es nun wirklich geschafft, dass ich nicht nur überrascht war, sondern auch meine Meinung zu einem ernsthaften Thema grundlegend verändert habe. Dieses Buch hat mich erschüttert.

In meinem Leben gab es schon Gelegenheiten, in denen ich Zeuge von Gewalt geworden war. Gott sei Dank hat sich diese Gewalt noch nie gegen mich selbst gerichtet gehabt, doch trotzdem war es nicht weniger schlimm zuzusehen, wie jemand, der mir unendlich wichtig ist, Blut auf den Asphalt gespuckt hat. Durch diese Erfahrungen habe ich mich immer als eine Person gesehen - als eine Frau gesehen - die Gewalt nicht ungestraft lassen könnte. Ich wusste, dass ich stark genug war, mich zu wehren, falls es jemals dazu kommen sollte, dass gegen mich jemand die Hand erheben würde. Ich war mir absolut sicher, dass wenn mein Freund/Mann mich jemals schlagen würde, dass ich ihn sofort verlassen würde. Ich war mir sicher. Jetzt bin ich es nicht mehr.

 

Dieses Buch hat all meine Ansichten zu häuslicher Gewalt überdenken lassen. Frauen, die sich von ihren Männer misshandeln lassen, habe ich zumeist als schwach angesehen. Und dieser Gedanke tut mir nun unendlich leid, denn sie sind alles andere als das. Ich bin es, die schwach war, dass ich es nicht geschafft habe, auch die anderen Aspekte zu sehen. Durch "Nur noch ein einziges Mal" verstehe ich nun, was ich bis vor wenigen Augenblicken nicht verstanden habe.

 

Ich habe Ryle geliebt. Dieser Charakter hat mir unglaublich gut gefallen und ich habe mich auf jede Szene gefreut, in der er einen Auftritt hatte. Er hat Lily auf seinen Händen getragen; sie so sehr geliebt, dass er sogar seine Meinung geändert hat, was feste Beziehungen anbelangt. Lily ist auch eine starke Frau, wie ich es von mir denke, die nicht unbedingt auf einen Mann angewiesen ist. Sie hat ein gut laufendes Geschäft, einen tollen Mann, den sie liebt und eine gute Beziehung zu ihrer Mutter. 

 

Doch als Ryle zum ersten Mal die Hand gegen sie erhoben hat, konnte ich es nicht glauben. Ich habe ernsthaft daran gedacht, dass es ihr Fehler war. Lily war diejenige, die durch ihr Verhalten diese Gewalttat ausgelöst hatte. Noch während des Lesens, habe ich mir eingeredet, dass es vermutlich ein Ausrutscher gewesen war. Weil sie eine solch eigenartige Reaktion an den Tag gelegt hatte. Dass er es nie wieder tun würde. Ich habe sein Verhalten entschuldigt. Weil ich den Charakter mochte. Und wie schlimm muss es erst sein, wenn man diesen Menschen wirklich liebt. Wie tief müssen die Gefühle dann gehen, die alles entschuldigen, was eigentlich nicht entschuldbar ist.

 In diesem Moment habe ich verstanden, dass es nicht so einfach ist, wie ich es mir immer vorgestellt habe. Es ist kein einfaches schwarz und weiß und Liebe schafft es auch nicht immer, alles zu heilen, was zerbrochen ist. Es gibt Dinge, die erst zerbrechen, wenn man liebt. Wenn man vertraut. 

 

Selbst ich, als einfache Leserin, die mit einer solchen Situation noch nie konfrontiert war, hat sein Verhalten entschuldigt. Obwohl es so unendlich falsch war.

Und als ich die letzten Seiten, als ich Colleen Hoovers Nachwort las, und mir bewusst wurde, dass dies nicht einfach eine erfundene Geschichte war, sondern Teile daraus wirklich Colleen Hoovers Mutter passiert waren, konnte ich meine Tränen erst recht nicht mehr stoppen. Schon während des Lesens habe ich immer wieder geweint. Habe gehofft, dass es eine Lösung für die Beiden gibt. Dass sie es schaffen alles wieder zu kitten und nochmal neu zu beginnen. Aber das wäre falsch gewesen. Denn wer könnte garantieren, dass er nicht doch noch einmal zuschlägt. Und ich war unendlich stolz auf Lily, dass sie es geschafft hat den Schritt zu machen, den viele nicht gehen können. Weil sie lieben. Und manchmal zu sehr.